Ist invasive pränataldiagnostik ethisch vertretbar

Invasive Pränataldiagnostik bringt weitgehende Sicherheit darüber, ob ein Kind behindert oder gesund geboren würde. Wenn absehbar ist, dass ein Kind eine Behinderung haben wird, kann es rechtzeitig abgetrieben werden. Das Problem: Invasive Pränataldiagnostik ist auch gefährlich für gesunde Feten. Auf einen abgetriebenen Fetus mit Downsyndrom kommen 4 durch einen invasivdiagnostischen Eingriff ausgelöste Fehlgeburten gesunder Kinder. Hat unsere Gesellschaft so eine Scheu vor Behinderten, dass sie, um ein Kind mit Downsyndrom vor der Geburt auszumerzen, den Tod 4 gesunder Kinder in Kauf nimmt? Ist der Preis noch angemessen oder schon zu hoch? Wäre es deshalb Ok, diese Methode, die sich viele angehende Eltern ja wünschen, zu verbieten? Was meint Ihr? Jede vernünftig begründete Antwort ist willkommen. Aber bitte gebt Euch ein wenig Mühe.

7 Antworten zur Frage

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Ist invasive Pränataldiagnostik ethisch vertretbar?

Es ist wohl so:
Wenn die Wissenschaft ein neues Verfahren entwickelt, es theoretisch möglich macht, daß etwas geschieht, dann wird, über kurz oder lang, dieses Verfahren zum Einsatz kommen. Ob es sich um Klonen oder Atombomben handelt, es wird getan. erst bei der Durchführung stellt sich heraus, daß es bei manchen Verfahrensweisen möglicherweise eine ethische oder moralische Schranke gibt, die erkannt und festgesetzt werden muss.
Heutzutage, wo Alles in der Welt perfekt sein muss, was "von Menschenhand" geschaffen werden kann, sind behinderte Kinder eher unerwünscht. Wenn nun eine Methode angeboten wird, die es erlaubt mögliche Behinderungen vor der Geburt zu diagnostizieren, wird es nur eine frage des Abwägens von Nutzen und Auswirkung sein, ob dieses Verfahren angewandt wird.
Wenn sich eine schwangere Frau für die Durchführung der Methode entscheidet, wird sie sich schon vorher Gedanken gemacht haben, ob sie das Kind bei befundender Behinderung abtreiben wird. Sonst wäre die untersuchung Risiko ohne Nutzen
Der Tod eines behinderten Kindes ist also schon vorher kalkuliert und in Kauf genommen.
Der Tod eines gesunden Kindes kann so, mit diesem Gedankengang einfach zum Kollateralschaden erklärt werden, zur Nebenwirkung der diagnostischen Arbeit
Schade
Hallo Matthias!
. Das ist auf jeden Fall jetzt schon eine gute Antwort. Und trotzdem: Wenn Du Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen könntest: Könntest Du eine Position beziehen? Gegen eine Methode mit zu hohen Kollateralschäden, oder für eine Methode, die den Eltern wichtige Informationen mit vertretbaren Nebenwirkungen liefert?
Ich kenne persönlich einen Fall bei dem Down-Sydrom durch Fruchtwasseruntersuchung diagnostiziert wurde. Das Kind ist gesund!
Was ich als gesetzgeber tun wüde werde ich mir überlegen. Ich werde meine Antwort erweitern. Aber erst muss ich denken.
Hinderlich ist dabei eigentlich meine eigene Position zu der Sache, denn ich würde diese Untersuchung NICHT machen lassen.
Ich freue mich schon auf die Erweiterung! Aber lass Dir Zeit: Ich muss jetzt eh weg.
Alles Gute
dass Du mich auf Deine Frage aufmerksam gemacht hast.
Es gibt meiner Meinung nach keinen Menschen, welcher nicht das Recht hat zu leben. Als ich damals mit meinem Sohn schwanger war, stellte sich mir genau diese Frage nach dem Preis der Pränatalen Diagnostik.
Meine damalige Ärztin wollte mich überreden, eine Fruchtwasseruntersuchung durchführen zu lassen.
Eine solche Untersuchung in einer frühen Phase der Schwangerschaft lässt Frau doch nur dann durchführen, wenn sie ein eventuell behindertes Kind auch hinterher abtreiben möchte. Sonst macht diese Untersuchung doch einfach keinen Sinn. Also riskiert man den Tod eines gesunden Kindes, weil man ein anderes durch Abtreibung gegebenenfalls töten will.
Dabei können folgende Komplikationen auftreten:
" * Das Risiko einer Fehlgeburt: Es liegt bei etwa 0,5 Prozent und hängt auch von der Erfahrung des Arztes ab.
* Fruchtwasserabgang, schwache Blutungen in der Gebärmutter, Verletzung der Gebärmutter oder eine Infektion
* Eine Verletzung des Kindes durch die Einstichnadel: Dieses Risiko kann der Arzt erheblich vermindern, wenn er während des gesamten Eingriffs die Position des Kindes mit Hilfe des Ultraschalls bestimmt.
* Kontraktionen der Gebärmutter: Diese Reaktion ist relativ häufig, lässt aber in der Regel rasch wieder nach."
aus: Fruchtwasseruntersuchung - NetDoktor.de
Ich habe damals diese Untersuchung gegen den Rat meiner Ärztin nicht durchführen lassen. Denn ich hätte auch ein behindertes Kind nicht abgetrieben. Dazu kam eben das Risiko einer Fehlgeburt und damit hätte ich nicht leben können. Wenn ich mir vorstelle, dass mein Sohn heute vielleicht nicht leben würde oder durch die Untersuchung geschädigt worden wäre, nur weil ich auf meine Frauenärztin gehört hätte. Unvorstellbar!
Frauen werden aber oft regelrecht dazu gedrängt, diese Untersuchung machen zu lassen. Es gilt heute als ein Makel, wenn trotz der pränatalen Diagnostik-Möglichkeiten ein behindertes Kind geboren wird. Der Frau wird gleichsam die Schuld an der Existenz eines behinderten Kindes zugesprochen. Hätte sie doch nur die angeratenen Untersuchungen durchführen lassen.
In unserer heutigen Gesellschaft muss jeder Mensch möglichst perfekt sein. Mit Schönheitsoperationen wird auch noch das letzte Fettpölsterchen beseitigt und auch noch die letzte Krümmung aus der Nase herausgeschnippelt. Der Körper wird im Fitnessstudio gestählt und modelliert, zur Not mit irgendwelchen Anabolika oder Eiweißdrinks. Eine Brille ist heute auch überflüssig, man kann die Augen ja schließlich lasern. Ob das wirklich gesund ist, danach fragt keiner.
Behinderte Kinder passen da nicht ins Bild. Sie stören den perfekten Ablauf. Sie unterbrechen das sorglose Leben. Sie erfordern eine andere Sichtweise der Dinge. Deshalb dürfen sie am besten erst gar nicht geboren werden. Aber niemand fragt, wieviel Liebe sie einem auch wieder zurückgeben.
Trotz allem denke ich nicht, dass diese Methode verboten werden darf. Denn sie hat in einer späteren Schwangerschaftsphase ja durchaus ihren Sinn:
"In der späteren Phase der Schwangerschaft wird eine Fruchtwasseruntersuchung zur Diagnose folgender Störungen durchgeführt:
* Blutgruppen-Unverträglichkeit zwischen Mutter und Kind
* Bestimmung der kindlichen Lungenreife bei drohender Frühgeburt"
Es sollte aber eine sehr genaue Aufklärung über die Risiken insbesondere der Schädigung des Fötus oder der Fehlgeburt eines in der 15./16. Schwangerschaftswoche schon voll entwickelten Kindes stattfinden. Die Frauen sollten sich außerdem schon vor der Untersuchung damit auseinandersetzen müssen, dass diese Amniozentese in der Regel ja nur gemacht wird, um ggf. ein behindertes Kind abzutreiben.
für Deine ausführliche und wohlüberlegte Antwort.
Hat mich sehr gefreut
Also wie haben damals noch nicht mal die Fruchtwasseruntersuchung machen lassen weil dort ein Risiko bestand. Stattdessen waren wir in einer hypermodernen Praxis wo das weltweit erste 3D Ultraschallgerät von GE stand mit Beamer und allem Pi Pa Po (DD5.1 weiss ich nicht genua. Ich war von der Technik schwer begeistert, und dann auch noch in Farbe. Man sagte uns damit könnte man auch sehr gut dieses Downsyndrom anhand der Nackenfalte nachweisen. Da ich aber Laie in dieser Hinsicht bin kann ich das nicht bestätigen.
Guten morgen!
Die heutigen Ultraschall Geräte gerade von GE sind dermaßen weit fortgeschritten, daß wir im 3en Schwangerschaftsmonat von der "Problematik" meines Sohnes erfahren haben und Gegenmaßnahmen einleiten konnten, ohne die Fruchtwasser Untersuchung durchführen zu müssen!
In Zukunft werden noch bessere Diagnose Verfahren "Serien" reif sein!
Valiantwing
PS: Die "Nachenfalten-Diagnose" die Gruftie erwähnt ist ein ebensolch wichtiger Schritt, diese "risikoreiche" Fruchtwasser Untersuchung abzulösen


ethik
Wer die Wahrheit nicht kennt und si eine Lüge nennt ist ein Dummkopf,wer sie aber kennt …

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- einem Prozess der Selbstfindung und Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Wieso sollte das den erstrebenswert sein?- selbst denken und entscheiden zu dürfen. Gleichzeitig ist es ebenso immer wichtig, andere anzuhören und entsprechend -


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- dass das Kind nicht nach oder während der Geburt eine Behinderung bekommen kann. Wie bei Maren_B. ist auch meine Schwester -