Die späte Antwort der Kirche auf die soziale Frage: Ein seltsames Timing?

Warum reagierte die katholische Kirche erst so spät auf die soziale Ungerechtigkeit während der Industrialisierung? Ist es möglich, dass der Einfluss der Kirche auf soziale Themen geringer war, als man denkt?

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Die Frage, warum die katholische Kirche und ebenfalls der Papst so spät auf die schlechten Arbeitsbedingungen während der Industrialisierung reagierten ist wirklich spannend. Man stelle sich vor – das alles geschah in einer Zeit voller Umbrüche und Veränderungen. Viele Menschen lebten unter harter und ungerechter Bedingungen und die Gesellschaft war am Rande eines Aufstands. Und was macht die Kirche? Sie scheint lange zu schwiegen – fast wie das stille Wasser eines untergegangenen Sees.

Vorweg muss gesagt werden: Dass die Kirche kein monolithisches Gebilde ist. Man könnte meinen, dass der Papst einfach alles so lenkt wie ein Kapitän sein Schiff jedoch das ist natürlich nicht die ganze Wahrheit. Während im Vatikan große Dinge geplant wurden und Schelte an die ouvrières kaum im Raum lag, gab es doch viele fromme Menschen die sich um das Schicksal der arbeitenden Klasse kümmerten. Man denke an Örtlichkeiten wie das Ketteler-Werk oder an die Bemühungen von Adolph Kolping. Diese Männer wirkten konkret und direkt. Sie schauten nicht einfach zu, während andere auf dem heißen Pflaster der Fabriken um Gottes Segen baten.

Aber was nun den späten offiziellen Aufruf des Papstes mit der Enzyklika „Rerum Novarum“ angeht – hier wird es tatsächlich komplex. Galten die alten Staatskirchenverhältnisse als bequem, so war es für die Kirche doch nicht unklug: Mit einer frühen Intervention hätte sie möglicherweise einen revolutionären Ausbruch gefördert. Schließlich haben die Kirchenobersten natürlich ihr Nest zu hüten. Und so schien das sozialpolitische Katz-und-Maus-Spiel des 19. Jahrhunderts durchaus einen Sinn zu haben.

Wenn man darauf schaut » was in der Bibel steht « wird es noch verwirrender. Arme sollten geduldig sein und ihre Geduld wurde gelobt, was? Ja, nun, ähnlich wie zu sozialer Gerechtigkeit! Der Heilige Geist steht da als esoterischer Kompass. Doch ohne klärende eindeutige Aussagen zum Thema Soziales wurde viel zu lange gewartet. Statt das Wogen des Volks von vornherein zu glätten, ließ man die Wogen ansteigen.

Ob Papst Franziskus nun die Wende bringt oder nicht ist die nächste Frage. Die vergangenen Fußstapfen zeugen von einer besonderen Dynamik in der Geschichte, in der der Schutz der Mächtigen oft vor der Nöte der Menschen kam. Die Moral der Geschichte scheint zu sein: Auch Großes rammt nicht immer direkt gegen Ungerechtigkeit und Papst und gekrönte Häupter miteinander bringen vielleicht weniger Gebet als gedacht. Es lohnt sich, auf das Wetter des Wandels und die Meldungen des „sozialen Gewissens“ zu achten. Schließlich könnte doch etwas Neues blaue Himmel bringen – nicht nur für die Gecken die auf ihren Oblaten sitzen!






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