Wie funktioniert gehirn lernen
These 1: Man kann nicht NICHT LERNEN.
Jede Erfahrung, die man macht, schlägt sich im Gehirn nieder.
These 2: Lernen funktioniert dadurch, dass bestimmte Erfahrungen immer wieder gemacht werden. So werden bestimmte Verknüpfungen zwischen den Synapsen verstärkt und dauerhaft ausgebildet.
These 3: Jedes Lernen hat auch ein Verlernen und einen Abbau von anderen Fähigkeiten zur Folge. Indem bestimmte Verbindungen zwischen den Synapsen verstärkt werden, werden gleichzeitig andere abgebaut, die länger nicht benutzt wurden. Lernen ist also nur eine Form der Umorganisation des Gehirns.
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Wie funktioniert das Gehirn? Wie funktioniert Lernen?
Biologisch betrachtet bilden sich durch Lernvorgänge ganglioside Verfilzungen zwischen den Synapsen des Zentralnervensystems aus. Diese können dann für Transmitterstoffe leichter durchdrungen werden. Der Transmitter hat es durch diese Verfilzung also leichter, die Natriumkanäle an der Postsynaptischen Membran zu erreichen und zu öffnen, so dass das Aktionspotential weitergeleitet werden kann.
Da Denkvorgänge auch nur aus "simplen Reizen" bestehen, durch Millionen zusammengeschalteter und vernetzter Nervenzellen, ist "Lernen" also prinzipiell nichts anderes als das häufige Verwenden von spezifischen Synapsenbahnen.
Man kann sich das wie einen Kreislauf vorstellen. Wird eine Vokabel z. B. auswendig gelernt, so werden die Synapsen die dieses Wort speichern durch ganglioside Filze fester verbunden. Es fällt einem also leichter ein.
Richtig ist auch, dass man etwas "verlernen" kann. Wird die besagte Vokabel nicht mehr gebraucht, lässt die Verfilzung auch nach - sie wird wieder abgebaut, weil andere Stellen häufiger oder stärker gereizt werden. Es findet also eine Umverteilung des Gedächtnisses auf molekularer Ebene statt.
Würde man jedoch theoretisch alles lernen und alles was man je gelernt hat, ständig wiederholen, würden diese Bahnen verfestigt werden.
Das wird einem bewusst, wenn man z. B. Auto fährt. Ein Führerscheinneuling denkt noch aktiv darüber nach, welchen Gang er wählen muss. Wenn man aber dann längere Zeit fährt schaltet man die Gänge völlig automatisch und fast schon instinktiv. Die Nervenbahnen für das Autofahren und schalten sind also fest verbunden worden.
Hallo Mambo.Kings:
Von der biologischen, der "Gehirnseite" des Lernens habe ich relativ wenig Ahnung. Zu der klassisch-psychologischen Seite kann ich ein wenig sagen.
Zu Deiner These 2:
Lernen funktioniert völlig unterschiedlich. Die Angst vor Spinnen lernt man anders als die Fähigkeit zu jonglieren, als soziale Fähigkeiten, als die Muttersprache, als eine Fremdsprache, als ein Gedicht, als Schach spielen.
Erstere lernt man am ehesten durch klassisches Konditionieren. Aber auch da gibt es Unterschiede. In Experimenten kann man Probanden z.B. recht einfach die Angst vor Spinnen beibringen. = messbahre Angst vor späteren Bildern auch ohne Schlag Also nicht jeder Trampelpfad ist gleichschwer zu betreten.
Danach: Je komplizierter die zu erlernende Fähigkeit ist, desto komplizierter laufen die Lernprozesse ab. Wenn Dich die Lerntheorie von der psychologischen Seite interessiert, dann kann ich Dir ein super Buch empfehlen, dass Grundlage in einem Seminar im Psychologie-Grundstudium zum Thema "Lernen" war. Das Buch stellt die immer komplexer werdenden Lerntheorien anhand praktischer Beispiele aufeinander aufbauend vor. Angefangen beim klassischen Konditionieren Bis hin zum Schachspiel. Das Seminar war eher mau, aber das Buch war super und dürfte auch für Fachfremde mit Willen zur Konzenration gut verständlich sein.
Leider lerne ich Namen sehr schwerfällig bis gar nicht und das Buch steht z.Z. bei meiner Freundin. Aber bei Interesse kann ich heute Abend/Morgen früh meine Antwort ergänzen.
Dein 3. These: Jein. Für das Lernen der Muttersprache durch ein Kleinkind trifft das sicher zu. In einer bestimmten Phase wird das Gehirn eines Kindes quasi auf eine beliebige Sprache geprägt, die das Kind sehr schnell und gut lernt. Nach dieser Phase fällt das lernen anderer Sprachen dann viel, viel schwerer.
Andererseits: Wenn man schonmal Fremdsprachen lernt wird man feststellen, dass die erste Fremdsprache noch eine ziemliche Schufterei ist. Wenn man erstmal 4 Fremdsprachen beherrscht, ist die 5. Aber dann auch kein Problem mehr
Auch verstopfen viele Fremdsprachen ja nicht den Platz für mathematische Fähigkeiten oder künstlerische oder Fußball.
Auch hier muss man also wieder den speziellen Lernprozess und das Lebensalter berücksichtigen.
Wie gesagt: Zu der Nervenphysiologischen Seite habe ich kaum Ahnung. Mich beschleicht aber oft der Verdacht, dass die , die auf dem Gebiet forschen die Sache vielleicht oft unzulässig vereinfachen, weil sie andere Prozesse einfach nicht in ihrer Komplexität beobachten können.
Wer weiß: Wie der simple Behaviorismus seit 1913 vielfach ergänzt, erweitert und für viele komplexe Lernprozesse auch verworfen wurde, so fangen die Hirnforscher 80 Jahre später auch auf einem ähnlich primitiven Niveau an um mit wachsender Potenz Ihrer Untersuchungsgeräte immer komplexere Prozesse aufzudecken, die mit so einfachen Bildern wie verstärkten Synapsenverbindungen durch wiederkehrende, stereotype Reize nicht mehr erfasst werden können.
für die ausführliche Antwort.
Insbesondere der Hinweis, das unterschiedliche Fähigkeiten auch unterschiedlich gelernt werden, ist hilfre ergänze noch deine Literaturempfehlung, wenn du das Buch wiederfindest.
hier ist das Buch:
Lernen. Zwanzig Szenarien aus dem Alltag: Amazon.de: Gerhard Steiner: Bücher
These eins und zwei sind absolut richtig, These 3 kann sein, muss aber nicht. In einem sehr aktiven und auch in einem jungen Gehirn geht die "Verstärkung" auch ohne "Vergessen". Im höheren Alter wird es mehr eine Umorganisation.
Hervorragende Quellen dazu sind die Bücher von Manfred Spitzer, insbesondere "Lernen". Aber deine Formulierungen klingen, als würdest du ihn schon kennen und zitieren.
Möglicherweise habe ich ihn mal im Fernsehen gesehen.
Ein sehr charismatischer Redner! Ich habe auch schon mal Filmaufnahmen von ihm gesehen und auch ein "Hörbuch" das er selbst vorgetragen hat! Lohnt sich wirklich! Und sein Schreibstil ist genauso prägnant und eingängig, gut zu lesen auch wenn`s wissenschaftlicher wird
These 1 Widerspruch: Man kann sehr wohl theoretisch lernen,
ohne daß man die Erfahrung tatsächlich machen muß.
These 2 Einüben ist sehr wichtig, aber Lernen kann auch bedeuten,
daß man bestimmte Erfahrungen nicht macht
These 3 Widerspruch: Die Erfahrungen mit zweisprachig aufgewachsenen Kindern sprechen dagegen. Das Gehirn paßt sich flexibel den Anforderungen an positiv wie negativ.
Juhu, endlich einer, der sich nicht stur auf populärwissenschaftliche Thesen stützt
Wenn man etwas liest, macht man auch eine Erfahrung. Erfahrung ist nicht das gleiche wie Erleben.
Ich stimme für These 2.
These 1 kann so nicht stimmen, sonst müsste ich hier sofort deine Frage auswendig hinschreiben können - kann ich aber nicht.
These 3 ist auch nicht richtig, denn unser Gehirn ist so groß, dass wir den Keller nicht erst entrümpeln müssen, bevor wir was neues dazupacken. Sprich: der Keller wird nie voll.
Lernen heißt nicht auswendig können! Da du diese Frage mit der nötigen Aufmerksamkeit gelesen hast, wirst du dich auch morgen noch sinngemäß an sie erinnern können. Selbst wenn du dich an den Text nicht mehr erinnerst, hat sie einen Pfad in deinem Gehirn hinterlassen. So ist es mit allen Erfahrungen! Im Freizeitbereich entscheiden wir zumeist selbst darüber, was wir lernen und wenn die Kids sich stundenlang vor die Ballerspiele hocken, lernen sie eben das.
Es lohnt sich also, sich um einen sinnvollen input zu bemühen.
Ja ja ich weiß schon - meine Antwort war sehr dilettantisch - und wieder ja: klar kann man sich an alles erinnern, dem man mal Aufmerksamkeit gewidmet hat. Warum kann man sich dann aber manche Sachen partout nicht merken? Weil es einen nicht wirklich interessiert oder weil man es sich in einer anderen Form merken sollte?
Wichtig ist schon, dass man sich einer sache mit der nötigen Aufmerksamkeit widmet, wenn im Hintergrund ein Italienissch-Sprachkurs läuft und ich gleichzeitig etwas intensiv lese, werde ich das Gelesene behalten, Italienisch nicht.
Ein weitere Punkt ist, dass man nur in einer positiven Stimmung gut lernt. Werde ich zum Vokabel lernen oder Geige üben geprügelt, lerne ich nur dass Vokabel lernen oder Geige spielen doof sind, die Infos bleiben dann nicht hängen. Für Angst gilt das gleiche.
Wenn man also etwas lernen muss, was einen nicht interessiert, muss man es dem Gehirn schmackhaft machen, also einen interessanten Bezug zu etwas bekanntem herstellen, oder zumindest für eine positive Stimmung sorgen.
Oh je, mit der Frage kannst Du eine wissenschaftliche Karriere ausfüllen!
Zu These 3: Es ist in der Regeln nicht so, dass wir etwas verlernen, also dass Synapsyen wieder verschwinden. Vielmehr ist es so, dass sich zusätzliche Verknüpfungen bilden, die die alten Verknüpfungen hemmen. Du kannst Dir das so vorstellen, dass dann an einer Synapse zwei verschiedene Impulse ankommen (ein exzitatorischer, der sagt "weiterleiten" und ein inhibitorischer, der sagt "stoppen") und die heben sich dann gegenseitig auf.
Die anderen Thesen kann man vereinfacht so stehen lassen.
Die Schwierigkeit bei vielen neurobiologischen und -psychologischen Erkenntnissen ist, dass sie aus dem Tierversuch stammen und nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen werden können. Menschen kann man im Prinzi nur in den Scanner schieben und gucken, wo es leuchtet. Und auch da sieht man nicht die absolute Hirnaktivität, sondern muss rechnen und interpretieren.
Sicher kein aktuelles Forschungsergebnis, aber immer noch Standasrd: Frederic Vester: Denken, Lernen, Vergessen. Als Taschenbuch erhältlich.
Das ist doch keine Antwort auf die Frage!
Erzähl doch mal etwas aus dem Buch, geh auf seine Thesen ein
Wenn dich das genauer interessiert, lies von Manfred Spitzer : "Lernen". Das ist zwar nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen verfasst, aber Spitzer schreibt so, dass man es auch versteht