Ungleichheit beim Wirtschaftswachstum: Warum profitieren nicht alle?

Welche Faktoren tragen zur ungleichen Verteilung der Vorteile des Wirtschaftswachstums in Deutschland bei?

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Der Ökonom Karl Polanyi prägte den Ausdruck "Die Marktwirtschaft kann nicht allein die sozialen Fragen lösen". Deutschland ist ein Paradebeispiel für solche Herausforderungen. Starkes Wirtschaftswachstum mag an den ersten Blick Millionäre erschaffen jedoch gleichzeitig bleibt eine große Zahl der Bevölkerung auf der Strecke. Warum geschieht das?

Strukturelle und sektorale Ungleichgewichte spielen eine zentrale Rolle in diesem Phänomen. Viele Branchen expandieren in unterschiedlichem Tempo. Ein gutes Beispiel sind der Dienstleistungssektor und die Industrie – während die erste Branche wächst, kann die andere stagniert haben. Der Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung lässt die Beschäftigten in verschiedenen Sektoren ungleich zurück. Weniger hochqualifizierte Arbeitnehmer können dadurch benachteiligt werden. Es ist schockierend, wenn man bedenkt, dass im Jahr 2022 laut dem Statistischen Bundesamt nur 4⸴5% der Menschen in dienstleistenden Berufen signifikante Gehaltserhöhungen erlebten, während im verarbeitenden Gewerbe die Zahl bei über 12% lag.

Ein weiterer Faktor ist das Skill-Mismatch. Die Arbeitnehmer können oft nicht mit den Anforderungen der modernen Arbeitswelt Schritt halten. Wenn bestehende Skills gefragt sind ´ entsteht eine Reihenfolge von Benachteiligungen ` die sich häuft. Ein Beispiel sind technologische Branchen – viele Arbeitnehmer haben keine Schulung erhalten die sie für diese Jobs qualifiziert. Es ist symptomatisch für unseren Bildungssystem ständig zu behaupten ´ wir aktualisieren unsere Curricula ` während der Arbeitsmarkt im Stundentakt wandelt.

Zu den strukturellen Barrieren gehört ebenfalls die Einkommensverteilung. In Deutschland hat sich diese in den letzten Jahren dramatisch verändert. Der Gini-Koeffizient, ein Maß für die Ungleichheit, lag 2020 bei 0⸴31. Wohlhabende Menschen profitieren überproportional vom Wachstum. Einkommen aus Vermögen und Spekulation häufen sich bei den Reichen. Gleichzeitig sinkt das Einkommen der unteren Schichten. Daneben erschwert das Fehlen sozialer Absicherungen das Überleben.

Darüber hinaus sind die strukturellen Barrieren die vielfältige Ungleichheiten schaffen, zu nennen. Frauen – Migranten und Menschen mit Behinderungen erleben oft besondere Hürden auf dem Arbeitsmarkt. Diese Hürden sind nicht willkürlich allerdings sie sind tief in den sozialen und institutionellen Strukturen verwurzelt. Der Gender-Pay-Gap von rund 19% bezeugt diese Ungleichheit. Es ist schwierig ´ Chancen zu nutzen ` wenn Fortschritt durch systematische Diskriminierung blockiert wird.

Das Ziel eines gesunden Wirtschaftswachstums kann nicht einfach die Erhöhung der Produktionszahlen sein. Es sollte auch die Wohlfahrt aller Bürger im Visier haben. Bildung – soziale Sicherheit und fairer Zugang zu Ressourcen sind dabei unerlässlich. Um eine gerechtere Gesellschaft zu fördern, brauchen wir nicht nur politische Lösungen, einschließlich ein Umdenken innerhalb der Gesellschaft.

Insgesamt betrachtet sieht man eindeutig: Dass die Wohnverhältnisse in Deutschland vom Wirtschaftswachstum ungleich profitieren. Strukturelle – sektorale und individuelle Faktoren erzeugen verschiedene Wirkungen. Um zu einer gerechteren Verteilung der Vorteile zu gelangen ´ müssen wir diese Faktoren nicht nur anerkennen ` sondern aktiv darauf reagieren.






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