Interpretationsansatz letzte fahrt peter huchel

Mein Vater kam im Weidengrau Und schritt hinab zum See, das Haar gebleicht vom kalten Tau, die Hände rau vom Schnee. Er schritt vorbei am Grabgebüsch, er nahm den Binsenweg. Hell hinterm Röhricht sprang der Fisch, das Netz hing naß am Steg. Sein altes Netz, es hing beschwert, er stieß die Stange ein. Der schwarze Kahn, von Nacht geteert, glitt in den See hinein. Das Wasser seufzte unterm Kiel, er stakte langsam vor. Ein bleicher Streif vom Himmel fiel Weithin durch Schilf und Rohr. Die Reuse glänzte unterm Pfahl, Der Hecht schlug hart und laut. Der letzte Fang war schwarz und kahl, das Netz zerriss im Kraut. Die nasse Stange auf den Knien, die Hand vom Staken wund, er sah die toten Träume ziehn als Fische auf dem Grund. Er sah hinab an Korn und Schnur, was grau als Wasser schwand, sein Traum und auch sein Leben fuhr durch Binsen hin und Sand. Die Algen kamen kühl gerauscht, er sprach dem Wind ein Wort. Der tote Hall, dem niemand lauscht, sagt es noch immerfort. Ich lausch dem Hall am Grabgebüsch, der Tote sitzt am Steg. In meiner Kanne springt der Fisch Ich geh den Binsenweg. erschienen 1934/35 geboren 1903

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Interpretationsansatz für die "Letzte Fahrt" von Peter Huchel

Interpretationsansatz:
Peter Huchel gehört zu den bedeutendsten -Natur-Lyrikern nach 45.
Das vorliegende Gedicht mischt in acht Strophen neben der Naturszenerie einer Seenlandschaft das Atmosphärische mit dem memento–mori-Gedanken: Der Sprecher erinnert sich an den eigenen Vater und dessen Lebensweise als Fischer des Sees zurück und begleitet diesen gedanklich, sich an dessen fischerhandwerkliche Tätigkeiten und Lebensweise erinnernd: "schritt hinab zum See" , "das Netz hing naß am Steg" , "sein altes Netz, es hing beschwert" , "er stieß die Stange ein". "Die Reuse glänzte" usw.
Das Gedicht beschränkt sich aber nicht auf rein rückschrittliche Erinnerung des Kindes, sondern liefert dem Sprecher zugleich auch Anlass, sich der eigenen Endlichkeit bewusst zu werden. Das barocke memento-mori-Motiv z 3Z 5Z Z 11 -
Dem Prozess dieser Vergänglichkeitsszene folgt dann in den beiden Schluss-Strophen die Annahme dieses Väter-Schicksals durch den Sohn, der – im Gegensatz zu allen anderen – "dem toten Hall" "am Grabgebüsch" lauscht und den Vater in das eigene Lebensschicksal integriert: „Ich geh den Binsenweg.“ Der Auftrag des Vaters galt nur dem Sohn , der bereit scheint, die Lebensweise des Fischers fortzusetzen: „In meiner Kanne springt der Fisch.“
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L yk44/ 06.02.2008
Sorry - genaueres Zählen des langstrophigen Textes ergibt natürlich ein 9-strophiges Gedicht zu je vier Verszeilen;
also "dem toten Hall" , "am Grabgebüsch" in der Schluss-Strophe und "Ich geh den Binsenweg" - Möglicherweise ist damit weniger das real handfeste Leben des Fischers am See als der literarische Weg des Naturlyrikers gemeint.
Lyk44