Flügel mehr 88 tasten

Ich hatte mal von einem Klavierbauer gehört, der Flügel mit 97 ich, auf jeden Fall mit mehr als den standardmäßigen 88 baut. Und prompt gab es auch einen Komponisten, der die Möglichkeiten ausschöpfe. Wer weiß da was?

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Flügel mit mehr als 88 Tasten

Zwischen zeitgenössischer Kunstmusik und Musik, die bei vielen Menschen populär ist, entwickelt sich zu Anfang des 20. Jahrhunderts eine Schere, die heute immer noch weiter auseinander zu gehen droht: Die Popularmusik wird immer platter und dilettantischer, die Kunstmusik immer abgehobener und betriebsblinder.
Zeichen dafür ist z.B. die Entwicklung des Viertelton-Klaviers, das 1924 von Förster und 1925 von Grotrian-Steinweg vorgestellt wird. Försters Lösung benutzt dafür zwei übereinanderliegende Klaviaturen, Grotrian eine zwanzigstufige Tastatur. Heute steht das einzige erhaltene Exemplar eines Vierteltonflügels im Prager Nationalmuseum.
Neben der Vierteltönigkeit wird mit noch kleineren Unterteilungen experimentiert, nämlich mit Sechstel-, Zwölftel- und Sechzehntelton-Musik, und noch 1958 verwirklicht Sauter ein Sechzehntelton-Klavier, das mit 97 Tasten mehr Töne hat als ein herkömmliches Instrument, aber lediglich den Tonumfang einer Spielzeugflöte, nämlich eine Oktave; es wird auf Anfrage auch heute noch gebaut.
Die Ideen zu solch neuen Tonsystemen entstehen in derselben Zeit, nämlich ab 1921, in der Schönberg beginnt, konsequent dodekaphonisch zu komponieren ; zwar hatte er bereits vorher frei atonal geschrieben, das strenge Regelwerk der Dodekaphonie aber dann erst konsequent angewandt.
Schönbergs Versuch, die Musik zu modernisieren und aus ihrer spätromantischen Sackgasse herauszuführen, ist einer der aufrichtigsten und ehrenwertesten der Musikgeschichte. Aber alle diese Versuche führen letzlich in eine neue Sackgasse, denn außer einigen wenigen Intellektuellen erscheint diese Musik selten jemandem genießbar.
Geschichte des Klaviers - Pian e forte
Was die Schere angeht, magst Du wohl rechthaben, dass sie immer weiter auseinandergeht - das ist aber eher ein Gewinn! Das Spektrum der Musik besteht ja nicht nur aus den beiden Enden der Schere, sondern aus allem, was dazwischenliegt. Und deswegen führen die Versuche einer Modernisierung auch nicht in Sackgassen, sondern bilden allenfalls Nischen. Sicherlich werden die jeweils neuesten Entwicklungen nur von wenigen Intellektuellen wahrgenommen bzw. genossen - das war aber schon immer so, und genauso war es auch schon immer so, dass die qualitativ hochwertigen davon sich nach und nach etabliert haben. Deutlicher noch als in der Musik ist dieser Vorgang in der bildenden Kunst zu beobachten.